Lieber Herr Dr. Hoffmann, ich habe 2 Fragen an Sie: 1.Mein Pferd Waldfee hat eine extreme Verhärtung im Bereich Kreuzbein/ Lendenwirbel/ Lendenmuskulatur. Sie ist an dieser Stelle besonders nach dem Reiten extrem druckempfindlich.
Waldfee ging deswegen in letzter Zeit klamm und schwunglos, letzte Woche ging sie sogar leicht lahm. Sie wurde bis heute nur longiert (Doppellonge und Cavalettis), Lahmheit und klammer Gang sind verschwunden. Auch heute beim Reiten ging sie lahmfrei. Was kann man machen, damit die Verhärtung wieder verschwindet? Ich reibe sie derzeit vor dem Reiten/ Longieren mit Franzbranntwein ein, danach kommt sie 15 min unters Solarium und wird eingedeckt. Woher könnte die Verspannung kommen (Pferd wird dressurmäßig A-L geritten)? 2. Waldfee frißt besonders nach starkem Schwitzen beim Grasen Erde. Sie bekommt täglich 3kg Hafer, 1kg Zuckerrübenschnitzel, 8kg Heu, Vitamin-Mineralzusatzfutter, Elektrolyte und hat einen Salzleckstein in der Box (Ration und Zusammensetzung ist von einer Fütterungsberatung aufs Pferd abgestimmt). Was kann man dagegen tun/ füttern? Könnte es außerdem sein, dass bei ihr der Wasserhaushalt nicht in Ordnung ist, weil sie ständig zu dünn ist, und bes. nach starkem Schwitzen extrem abnimmt (zusammenfällt)?
Dr. Georges Hoffmann: 1) Zur Muskelverhärtung: Wie Sie selbst schon bemerken dürfte es sich bei dieser Verhärtung mit grosser Wahrscheinlichkeit um die Verspannung eines bestimmten Muskels oder Muskelgruppe handeln. Im Extremfall könnte eine Fibrose ( narbige Verkümmerung) vorliegen. Das würde jedoch eine vorausgegangene akute Muskelentzündung bzw. -Verletzung voraussetzen. Bleibende, schmerzende, örtliche Verhärtungen, eventuell zusammen mit einer Umfangsvermehrung könnten auch auf tiefe Abzesse, Hämatome oder sehr seltene Muskeltumore hinweisen. Eine Klärung ist nur möglich durch eine entsprechende Untersuchung ( Ultraschall, Biopsie ). Gehen wir jedoch mal von der wahrscheinlichsten Ursache aus , nämlich einer Erhöhung des Muskeltonus sprich Verspannung .
Ein Muskel verspannt sich aus verschiedenen Ursachen:
plötzliche oder dauernde Ueberforderung des Muskels selbst
zur Ruhigstellung eines ihm untergeordneten schmerzaften Skeletteils z.B. Wirbelgelenksschäden (Stauchungen Zerrungen, Dislokationen, Arthritiden, Arthrosen,…) Bandscheibenschäden, usw.
örtliche Durchblutungsstörungen. Diese führen zu einer Ansammlung von Milchsäure (Azidose) welche den Muskel sich zusammenziehen lässt.
Mangel an Stoffen welche für den Stoffwechsel wichtig sind, z.B. Vitamin E, Selenium, Kalzium, u.a.
andere Stoffwechselstörungen , meistens ernährungsbedingt ( zu reiche Fütterung von Eiweiss und/oder Kohlehydraten in Verbindung mit nicht adäquatem Bewegungsangebot) welche im Extremfall zum Syndrom Kreuzverschlag, Lumbago führen, häufig jedoch subklinisch unter dem Begriff tying up syndrom bestehen Hier können Blutuntersuchungen, ggs Muskelbiopsien Aufschluss geben.
Aufgrund der von Ihnen geschilderten Fütterung möchte ich Stoffwechselstörungen eigentlich ausschliessen,( obwohl magere, stark schwitzende Pferde oft einen Eiweissüberschuss haben ! ) Sofern sich Ihr Pferd also nicht irgenwo einfach nur verletzt hat ( Hindernisstange, Hängerklappe o.ä. auf den Rücken, Festlegen in der Box , Sturz auf der Weide, stürmischer Deckackt usw.) dürfte die Ursache am häufigsten bei der Arbeit zu suchen sein. Das Pferd wird möglicherweise durch die Einwirkung des Reiters, gegebenenfalls unter Hinzunahme von Hilfszügeln in eine Haltung gebracht welche (noch) nicht seinem Ausbildungsgrad entspricht und wehrt sich dagegen . Vielleicht ist es zum Zeitpunkt wo Aufgaben verlangt werden noch nicht genügend gelöst. Es wird vielleicht nicht genug auf Losgelassenheit geachtet ? Nach dem Reiten wird es vielleicht nicht lange genug trockengeritten. Das begünstigt die Ansammlung von Milchsäure. Stand es vielleicht mal schwitztend im Durchzug, auf dem Hänger ? Es ist klar, dass entspannende Massnahmen wie Solarium, Schrittgehen, lockeres Ablongieren eine Besserung herbeiführen, jedoch werden die Verspannungen immer wiederkommen solange die Ursachen nicht abgestellt werde. Eine Gewissenserforschung sollte der Reiter in jedem Fall machen.
2) Zum Fressen von Erde
Es stimmt schon, dass Pferde welche Erde fressen manchmal einen Mangel an Mineralien haben. Das dürfte bei Ihrem Pferd angesichts der Zufütterung von Mineralzusatzfutter aber nicht der Fall sein. Deshalb sehe ich eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder das Gras ist zu kurz und das Pferd frisst den Boden notgedrungenerweise mit, oder die Graswurzeln sind nicht fest genug ( resp. die Grasnarbe nicht stark genug) und das Pferd rupft das Gras mitsamt den Wurzeln und dem daranhängenden Boden aus was manchmal bei sandigen Böden der Fall ist. Dass das Pferd das Gras mitsamt den Wurzeln ausreisst anstatt es abzubeissen hat vielleicht auch mit den Schneidezähnen zu tun. Diese wären demnach zu überprüfen.
Vielleicht hat Ihr Pferd auch eine besondere Vorliebe für das Knirschen des Sandes zwischen den Zähnen. Das könnte eine persönliche Angewohnheit sein. Sofern das Pferd den Sand jedoch als Mahlhilfe benutzt wären abermals die Zähne zu überprüfen.
3) Wasserhaushalt, Schwitzen
Es gibt Pferde die Schwitzen viel, andere weniger. Das sind individuelle Unterschiede. Schwitzen an sich ist nichts krankhaftes. Stark schwitzende Pferde geben ihre durch die Arbeit erhöhte Innentemperatur besser ab als andere. Sie leiden meistens nicht so unter der Hitze. Allerdings geben sie mit dem Schweiss auch viele Salze und Mineralien ab. Die müssen ersetzt werden. Das tun sie durch Zufüttern von Elektrolyten und Mineralien .
Sie verhindern nicht das Schwitzen aber ersetzten die Stoffe welche beim Schwitzen verlorengegangen sind. Beim Schwitzen verlieren die Pferde natürlich auch Flüssigkeit und somit Gewicht. Das kann ganz erheblich sein und die Pferde machen einen eingefallenen Eindruck. Dem kann man versuchen durch korrektes Füttern und Tränken entgegenzuwirken. Kurz vor der Arbeit aufgenommenes Futter entzieht dem Körper viel Flüssigkeit für die Verdauung, da es ja bekanntlich zu einem dünnflüssigem Futterbrei verarbeitet werden muss. Diese Flüssigkeitsmenge ist umso grösser als das Futter an sich wenig Saft enthält, also trocken ist. Diese Flüssigkeit fehlt bei der Arbeit. Ein Pferd sollte daher mindestens 2 Stunden vor der Arbeit, vor allem bei heissen Tagen, kein Futter mehr aufgenommen haben. Bedenken Sie auch, dass die Verdauungsprozesse meistens zusätzliche Wärme abgeben und das Pferd deswegen noch stärker schwitzt als durch die Arbeit allein.
Tränken dürfen Sie Ihr Pferd jedoch soviel es möchte auch noch, oder vielleicht eben, kurz vor der Arbeit, damit es möglichst grosse Reserven hat. Ist die Belastung von längerer Dauer (Distanzritt z.B.) solllten unbedingt Pausen eingelegt werden um das Pferd zu tränken. Verliert es nämlich zu viel Flüssigkeit (Exsiccose) , ist der Kreislauf in Gefahr und das Pferd kann einen Kollaps bekommen. Dr Georges Hoffmann