Dr. Georges Hoffmann zu Artgerechter Pferdehaltung

Sandra und Nadine aus Luxemburg: Sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann, in letzter Zeit häuften sich wieder die Berichte über halbverhungerte Pferde, die bei der großen Kälte der letzten Wochen im Freien gehalten wurden.
Worauf der Tierschutz aktiv wurde. Oft sind diese vermeintlichen Tierschützer ja gar nicht über die artgerechte Haltung von Pferden informiert und wirbeln Staub auf, wo es keinem Tier wirklich schlecht geht. Könnten Sie nicht einmal bitte erklären, was artgerechte Pferdehaltung ist. Wir wissen, daß Sportpferde nicht wie Freizeitpferde gehalten werden können. Aber wo liegen die Grenzen? Wie kann man Turnierpferde artgerecht halten? Wie sieht die korrekte Offenstallhaltung aus? Vielen Dank für Ihre Antwort Sandra und Nadine

Dr. Georges Hoffmann: Liebe Sandra und Nadine, Eure Frage schneidet ein beliebtes Thema an, bei welchem sich die Geister in einem bunten Gemisch aus Weltanschauung, Ethologie, Religiosität, Philosophie, Anthropomorphismus und vielem mehr streiten und vor allem scheiden.

Aus der Sicht des Tierarztes sei folgendes dazu gesagt: Das Pferd ist 1. ein Herdentier und 2. ein Bewegungstier. Artgerechte Haltung hieße diesbezüglich, daß man den Pferden Sicht- und Berührungskontakt erlaubt. Dies ist auch bei Boxenhaltung möglich. Gemeinsamer Auslauf auf der Weide ist natürlich besser.

Artgerechte Haltung bedeutet auch, daß die Pferde genügend Bewegung haben. Weidegang ist selbstverständlich das beste Angebot für das Pferd, da es seinem Bewegungsdrang ungehindert nachgehen kann. Jedoch auch Boxenpferde müssen nicht an Bewegungsmangel leiden, wenn sie ausreichend gearbeitet werden. Allerdings bedeutet die Arbeit eines Turnierpferdes auch einen gewissen psychischen Streß. Deshalb muß bei ihm unbedingt für Ausgleich gesorgt werden (Weidegang, Ausritte ins Gelände).

Ich teile nicht die Ansicht, daß Turnierpferde nicht auf die Weide dürfen, da sie sonst den nötigen “Pepp” verlieren. Vielmehr finde ich, daß dieser vermeintliche Pepp nur der Ausdruck eines Bewegungsdranges ist, welcher direkt im Zusammenhang steht mit Bewegungsmangel also nicht artgerechter Haltung. Möglichst ganzjähriger Weidegang wäre also das Beste.

Aber wie ist es im Winter? Auch Wildpferde in der Steppe leiden an Kälte, an Hunger, haben keine Unterkunft, leben aber nach unserem Dafürhalten absolut artgerecht. Aber wer sagt denn, daß die Artgerechtigkeit immer angenehm sein muß? Ich glaube, man sollte daher den Begriff der Artgerechtigkeit nicht überstrapazieren und ein normales Maß an gesundem Menschenverstand walten lassen.

Kalt- und Mischblutrassen (Ardenner, Haflinger, Isländer…) vertragen Wind und Kälte besser als Warm- und Vollblüter. Aber auch diese Rassen vertragen viel, wenn man Ihnen die Gelegenheit gegeben hat, sich progressiv an diese Umstände zu gewöhnen; beispielsweise sie seit dem Sommer bei jedem Wetter auf der Weide gelassen hat und ihnen erlaubt hat sich ein Winterfell anzulegen.

Eine Winterweide sollte jedoch nach Möglichkeit windgeschützt liegen und einen festen Unterstand bieten. Gibt es wenig Windschutz so ist es wichtig, daß der Unterstand nach drei Seiten hin zu ist, zumindest aber gegen Norden und Westen.Es erübrigt sich zu sagen, daß für saubere, trockene Einstreu sowie für ebensolches Futter und sauberes Trinkwasser zu sorgen ist.

Selbstverständlich wird man täglich nach seinen Pferden sehen. Schafft man es nicht mehr, diese Bedingungen zu erfüllen, dann sollten die Pferde nicht mehr auf der Weide belassen werden.

Als Pferdehalter sollten wir uns automatisch als Tierschützer verstehen, da wir doch das Beste für unsere Tiere möchten. Wir sollten deshalb Verständnis haben für andere Tierschützer, welche nicht unbedingt unser Pferdeverständnis haben und mehr aus christlicher Nächstenliebe handeln. Denn auch ihre Wachsamkeit ist gefragt, um die schwarzen Schafe unter uns auszumachen.



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