(c) Ludwigs Pferdewelten Balve. Einer der großen deutschen und internationalen Sportführer ist tot. Im Alter von 86 starb am 15. April auf seinem Schloss Wocklum in Balve/ Sauerland Dieter Graf Landsberg-Velen. Wie verlautet, sei er friedlich nach dem Frühstück am Sonntagmorgen entschlafen.
Sein Wort hatte Gewicht, er stand dem bedeutendsten nationalen Verband in der Welt vor, er hätte das Image der FEI aufpoliert, er wäre wirklich ein würdiger Präsident des Weltverbandes gewesen. Knappe Sätze, klare Aussage von einem, der hautnah jahrelang mit ihm zusammen arbeitete, der ihm wahrlich nicht immer nahe stand, der ihn jedoch bestens kennt. Und der ihn schätzt: Fritz Widmer (89), Schweizer, ehemaliger Generalsekretär des Weltverbandes, FEI. Der ehemalige Oberstleutnant des Schweizer Heeres meinte Dieter Graf Landsberg-Velen.
Landsberg-Velen war 18 Jahre lang FEI-Vize, in einer Zeit, als im Weltverband der wichtigste Posten nicht durch Wahl, sondern durch Ernennung vergeben wurde. Und weil der deutsche Graf 1974 nicht dem Beispiel von Prinz Philip folgte, wurde er nie Erster. Der Graf, wie er genannt wurde, hatte sich getraut, nicht dem Beispiel von Prinz Philip in Großbritannien zu folgen. Der erklärte nämlich 1973 in einer Nacht- und Nebelaktion 24 englische Springreiter zu Profis und schloss sie damit nach den damaligen Regeln von Olympia aus. Als Landsberg bei einem Abendessen nicht ebenfalls Hurra schrie und zur Attacke gegen deutsche Springreiter blies, knallte Prinz Philip voller Zorn sein Besteck auf den Tisch, wie der Sauerländer später erzählte. Das vergaß jedoch der Königin-Gemahl dem deutschen Vorsitzenden nie, und der war gleichzeitig für alle Zeit mit einem Bann auf das höchste Amt im Weltverband belegt. Und so sagte eben Prinz Philip, der von 1964 bis 1986 die FEI selbstherrlich führte, in seiner Abschiedsrede vor der Vollversammlung, sollte seine Tochter Anne nicht seine Nachfolgerin werden, dann mache ich eben weiter. Prinzessin Anne wurde die Nachfolgerin, Graf Landsberg-Velen ein Ehren-Vize.
Auch ohne Thronbesteigung im Weltverband gehörte Dieter Graf Landsberg-Velen zu den ganz großen Sportführern, nicht nur in Deutschland. Ihn zeichnete immer eine gewisse distinguierte Zurückhaltung aus, er zeigte Ecken, an denen man sich reiben und stoßen konnte. Er ging immer gerade und mit durchgedrücktem Kreuz durch das Leben, solange er gesundheitlich konnte. Der Jurist, der als Beruf Forst- und Landwirt angab, gehörte im deutschen Sport zu jenen, die auch immer etwas bewegten. Er übernahm stets Verantwortung. Und er war sich auch für niedere Dienste nie zu schade. Vor den Rücken- und Hüftoperationen schleppte er bei seinen Hausturnieren vor Schloss Wocklum in Balve höchstpersönlich Hindernisstangen.
Seit 1948 war er Vorsitzender seines heimatlichen Reitervereins von Balve, seit 1950 arbeitete er im Malteser Hilfsdienst und engagierte sich stark für die Opfer des Vietnamkrieges, zwischen 1980 und 1992 war er Präsident der Hilfsorganisation, seit 1973 Mitglied im Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), 1974 wurde er Vizepräsident des Deutschen Sport-Bundes, seit 1993 gehörte er als Vize-Präsident zum Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland, und seit 1996 arbeitete er auch ebenfalls ehrenamtlich in der Organisation zum Schutze des Pferdes. Nach der Fusion vom Nationalem Olympischen Komitee für Deutschland und dem Deutschen Sportbund zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wurde er 2006 zum Ehrenmitglied des DOSB ernannt.
1968 wählt ihn die Generalversammlung der deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) zum Präsidenten, auf der Sitzung im Mai 2001 auf Norderney trat der Sportführer mit der bis dahin längsten Amtszeit in Deutschland ab. Neben verschiedenen Ehrenzeichen des Auslandes trug er das Großkreuz pro merito melitensi des Souveränen Malteser Ritterordens, 1994 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Die erste Auszeichnung seines Verbandes erhielt er im Mai 2002 – er konnte sich ja schlecht selbst für eine Ehrung vorschlagen aus der Hand seines damaligen Nachfolgers Jürgen Thumann: Das Goldene Reiterkreuz mit Brillanten. Dieser höchste FN-Orden war bis dahin nur Liselott Linsenhoff und Josef Neckermann zuteil geworden. Der Aachen-Laurensberger Rennverein, Ausrichter des größten und bekanntesten Pferdesportturniers der Welt, ehrte ihn 2006 mit dem Goldenen Ring.
Graf Landsberg-Velen wurde am 17. Dezember 1925 auf Schloss Wocklum im Sauerland geboren. Von den vier Geschwistern fielen zwei Brüder blutjung im Zweiten Weltkrieg, Eberhard (22) vor Stalingrad, Hans-Otto (21) vor Trondheim/ Norwegen ebenfalls 1942, Schwester Roswitha (22) starb im Arbeitsdienst. Sein Bruder Wilfried wurde Rechtswalt. Er selbst kam als Leutnant einer Panzeraufklärungsabteilung 1945 in britische Kriegsgefangenschaft, wurde aber bald entlassen. Nach dem Jurastudium in Bonn (1947 bis 1951) übernahm Dieter Graf Lansberg-Velen den elterlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auf Wocklum. Zum Besitz gehören über ganz Deutschland verteilt 12.000 Morgen Land und Wald, außerdem zwei Hotels und Anteile an einem Kalkwerk.
1955 heiratete er Monika Josepha Gräfin von Westphalen von Fürstenberg, die vier Töchter Barbara, Rosalia (Rosalie), Veronika und Theresia tragen alle auch den Vornamen Maria. Der Graf verabscheute Halbwahrheiten, er stand zu dem, was er sagte. Als 1980 die damalige Sowjetarmee Afghanistan überfiel, gehörte er zu den leidenschaftlichen Verfechtern, nicht zu den Olympischen Spielen nach Moskau zu fahren. Auch später rückte er von seiner damaligen sehr beachteten Rede in Düsseldorf nicht ab, denn wer die Menschenrechte mit Füßen tritt, boykottiert die ideellen Grundlagen der Olympischen Spiele. Auf eine Teilnahme zu verzichten, schmerzt sicherlich, der Preis für die Preisgabe unserer Grundwerte ist jedoch unvergleichbar höher, denn er kostet die Glaubwürdigkeit, sagte er. Viele Jahre steuerte wenigstens einmal im Jahr der leidenschaftliche Autofahrer und überzeugte Katholik seinen PKW in den südfranzösischen Wallfahrtsort Lourdes. Dort schob er Kranke zur Heilung versprechenden Grotte, daraus schöpfte er selbst Kraft und Zuversicht.
1973 sah er noch keinen Platz in unserem Haus des Pferdesports für einen Profi, weil zahllose freiwillige Helfer ihre Zeit und ihre Arbeitskraft wohl für den Sport, aber nicht für den Gelderwerb von Profis zu opfern bereit wären, meinte er. Später sagte er mal: Sport und Kommerz müssen in der Balance sein, doch in einer solchen Partnerschaft hat die Priorität dem Sport zu gehören. Der Sport darf auf keinen Fall seine Seele verkaufen. Generell laufe der Sport jedoch immer mehr Gefahr, durch Kommerzialisierung und die dadurch entstandene Sucht, Leistung durch verbotene Mittel zu manipulieren, an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das Oberste Gebot müsse lauten: Fairness gegenüber dem Partner Pferd.