Eine Weihnachtsgeschichte für Groß und Klein

Das grüne Pferd

Heute möchte ich Euch eine Geschichte erzählen, die mir bereits mein Großvater und davor dessen Großvater und davor dessen Großvater und so weiter erzählt haben. Und jedes Mal sagte der Erzähler, dass er sich für die Echtheit dieser Geschichte verbürge, was soviel bedeutet, dass sie wahr sein muss.

Wie der Titel schon verrät, handelt diese wahre Geschichte von Pferden, genauer genommen von einem Pferd.

Pferde sind ja bekanntlich, braun, schwarz, gefleckt oder auch grau weiß, wie zum Beispiel der Schimmel. Das war allerdings nicht immer so, aber hört selbst:


. Der liebe Gott hat ja angeblich in sechs Tagen die Welt erschaffen: Die Erde, den Himmel, die Sterne, den Mond, die Sonne. Anschließend erschuf er die Pflanzen, Bäume und Blumen, die Tiere und schließlich den Menschen in Gestalt von Adam und Eva. Adam war der Mann und Eva die Frau.

Fertig! In sechs Tagen? Na, ja glauben wir es mal. Kaum vorzustellen, da hätten die Gewerkschaften ja auch noch ein Wörtchen mitzureden. Es ist eigentlich gar nicht verwunderlich, dass der liebe Gott in seiner Schaffungswut einiges vergessen hat. An so wichtige Dinge wie Nutella, Kartoffelchips, DVD Rekorder oder Pauschalreisen hat der gute Mann nicht gedacht, die mussten erst später erfunden werden, aber dafür war ja der Mensch zuständig.

Sei’s drum. Eines Tages, als der liebe Gott gerade seine Koffer packte, um ein wenig in Urlaub zu gehen, kam Adam vorbei.

Grüß Gott, sagte Adam.

Nun muss man wissen, dass der liebe Gott die ersten Menschen nach Süddeutschland hingesetzt hatte. Adam sagte also Grüß Gott. “Wen soll ich grüßen”?, sprach der liebe Gott. Mich selbst? Adam wurde leicht rot vor Verlegenheit. “Adam”, sprach der liebe Gott, “gewöhn Dir diesen Unsinn ab”. Das tat er natürlich nicht, wie wir wissen, Nur die Schweizer waren folgsamer, und sagen heute Gruezi miteinand.

“Warum störst Du mich?”, sagte Gott zu Adam?

“Nun”, sagte Adam: ” Du hast so viel geschaffen, aber uns fehlt etwas, dass wir sowohl beim Ackerbau, als auch als Fortbewegungsmittel benutzen können. Es sollte kräftig sein, dass es einen Pflug ziehen kann, es sollte schnell sein, dass es mich geschwind von einem Ort zum anderen bringen kann. Es sollte genügsam sein und vor allem nicht so doof wie ein Esel, Kannst Du so etwas schaffen?”

Der liebe Gott überlegte etwas, Das mit dem doofen Esel ärgerte ihn etwas, worauf er beschloss, den Esel besonders störrisch und garstig zu machen, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Schließlich erschuf er vor den Augen Adams ein Pferd. Vier Beine, einen großen Schwanz, kräftig und beweglich zugleich. “Nicht schlecht”, sagte Adam: “Aber welche Farbe willst Du ihm geben?”

Und jetzt verrate ich Euch ein bislang streng gehütetes Geheimnis. Mit den Farben hatte es der liebe Gott nicht so. Wäre der liebe Gott zum Augenarzt gegangen, so hätte der ihm vermutlich leichte Farbenblindheit bescheinigt. Wer zum Beispiel Schweine rosa färbt, oder Dalmatiner wild schwarz-weiss punktet und es zulässt, dass die Menschen ihre Häuser pink anstreichen, der ist nicht besonders stilsicher.

Der liebe Gott nahm also seinen großen Farbpinsel, mit dem er alles, was er geschaffen hatte, anmalt, und wählte in der Eile, er wollte ja in Urlaub, den grünen Farbtopf.

Flugs war das erste Pferd auf dieser Welt von oben bis unten grün angestrichen. Dunkelgrün um genau zu sein, da Gott noch einen Rest braun dazugemischt hatte.

Adam bedankte sich, nahm sein grünes Pferd und zog mit ihm heimwärts.

Es war ein schöner Sommer, das grüne Pferd leistete alles, was sich Adam von ihm gewünscht hatte, der Herbst ging vorbei und es wurde Winter.

2 Tage vor Weihnachten sagte Eva zu Adam, es wäre an der Zeit, das Haus festlich zu schmücken; goldene Kugeln und silberne Girlanden wurden angeschafft, allerlei Schnickschnack wurde gebastelt, Strohsterne und selbst gezogene Kerzen, was man halt so braucht.

An Heiligabend sollte Adam, dann einen Tannenbaum besorgen, einen schönen grünen, wie Eva meinte, das wäre stilecht. Adam zog los, um im Wald einen Tannenbaum zu schlagen. Nun war es aber so, dass die Bäume im Wald nur wenige Zentimeter hoch waren. Schliesslich war es ja erst das erste Jahr der Erde und so ein Tannenbaum, auch ein kleiner, braucht ein paar Jahre um eine brauchbare Größe zu erreichen. Und so machte sich Adam unverrichteter Dinge auf den Heimweg. Er sah schon die enttäuschte Eva vor sich und er sah sich schon Kugeln und Girlanden an die Wand nageln.

Er rief mit seinem Handy bei Eva an, um ihr die Sachlage zu erklären. Die sagte, wenn er nicht mit irgendetwas großem grünen nach Hause komme, bräuchte er gleich gar nicht zu kommen, sie würde zurück zu ihrer Mutter gehen, die sie sowieso immer vor Adam gewarnt habe. Bevor Adam antworten konnte, dass Mütter und Schwiegermütter noch gar nicht erfunden worden seien, hatte Eva auch schon aufgelegt.

Als er am Stall vorbeikam und sogleich von seinem grünen Pferd begrüßt wurde, kam ihm die rettende Idee: Er sah sich sein Pferd an: Es ist grün, es ist hoch, es ist brav und man kann an seinem langen Winterfell allerlei hübsche Dinge besfetigen; und hast Du nicht gesehen, führte er das grüne Pferd ins Wohnzimmer: Das ist unser Weihnachtsbaum sagte er zu Eva, die sich nach anfänglichem Zögern damit abfand.

Das grüne Pferd wurde in eine Ecke gestellt, zu seinen Hufen wurde eine Schüssel mit Wasser bereitgestellt und zur Vermeidung von Schmutz eine ebenso grüne Decke ausgebreitet.

Und dann wurde es geschmückt, mit Kugeln, Girlanden, Strohsternen und Kerzen. Und ganz oben auf dem linken Ohr ein Rauschgoldengel allererster Schönheit.

Und so wurde das Weihnachtsfest gefeiert.

Unser grünes Pferd allerdings fühlte sich nicht besonders wohl. Es fand sich ziemlich unpassend und schielte dauernd auf die herunterbrenndenen Kerzen. Es dachte darüber nach, dass Pferdehalfter an der Wand und Pferde, die sich vor Apotheken übergeben einmal berühmt werden würden. Aber ein Pferd als Weihnachtsbaum, das konnte es sich nicht vorstellen

Um 10 Uhr abends klopfte es an der Tür. Draußen standen ein Esel, ein Ochse und ein paar Schafe, die auf dem Weg nach Bethlehem waren; dort hatten sie einen 1 Euro Job in irgendeiner Krippe zu verrichten, genaueres wussten sie aber nicht. Die lachten gar herzlich, als sie das bunt geschmückte grüne Pferd sahen, und ausgerechnet der Esel meinte, dass er bislang nichts dämlicheres zu Gesicht bekommen hatte.

Das kränkte unser Pferd über alle Maßen und auch Adam und Eva empfanden etwas Mitleid für ihren grünen Hausgenossen.

Wenig später erschienen die heiligen 3 Könige, allen voran Caspar, die auch auf dem Weg nach Bethlehem waren, sich aber mit ihrem Navigationsgerät hoffnungslos verirrt hatten. Caspar, der irgendetwas vor sich hinsang, was nach “Wir holen den Titel” klang, gab Balthasar die Schuld; denn der hatte ein besonders billiges Gerät erworben; allerdings war die Ansagestimme chinesisch und das verstand keiner von den dreien.

Auch die bogen sich vor Lachen, als sie unseren vierbeinigen Weihnachtsbaum erblickten und Melchior, schon etwas vom Weihrauch benebelt, wollte sich auf das Pferd schwingen und mit ihm nach Las Vegas reiten, denn dort könne man mit einem wiehernden Christbaum eine Menge Geld verdienen.

Da wurde es unserem grünen Pferd endlich zuviel. Mit einem gewaltigen Schütteln, schleuderte es den gesamten Weihnachtsschmuck von seinem grünen Körper ab, goss den Wassereimer über die brennenden Kerzen und sauste aus dem Haus. So hatte es sich sein Leben nicht vorgestellt, als Ersatzweihnachtsbaum.

Nach kurzer Zeit fanden Adam und Eva das beleidigte Pferd und beratschlagten, was zu tun sei. Schließlich befanden sie, dass ja der liebe Gott an dem Schlamassel schuld sei, er hatte das Pferd grün angemalt; und so zogen sie zu dritt los zu Gott.

“Grüß Gott”, sagten die drei, als sie beim lieben Gott ankamen; der verzog etwas das Gesicht ging aber über diese ungehörige Anrede hinweg.

“Warum”, sprach er, “kommt ihr zu mir?” Und die drei erzählten die ganze Geschichte. Der liebe Gott sah ein, dass er da wohl etwas falsch gemacht hatte und sprach: “Bringt mir meine Farbeimer noch einmal.” Als alle Farben vor ihm standen, stellten sie fest, dass kaum noch Farben übrig waren.

Gerade mal ein wenig braun, ein wenig weiß, ein wenig schwarz, gelb, und so weiter. Keine Farbe hätte allein gereicht, um unsere Pferd komplett damit zu bestreichen. Und so blieb Gott nichts anderes übrig, als das Pferd von oben bis unten anzumalen, aber von jeder Farbe nur ein bisschen. Da ein Flecken weiß, da ein Tupfer schwarz, hier wieder ein wenig braun, dort ein gelbroter Flecken.

Nur grün war nicht dabei, denn diese Farbe hatte Adam wohlweißlich versteckt.

Und so kommt es, dass Pferde heute ganz unterschiedliche Farben haben, Braune, gescheckte, graue, schwarze und so weiter.

Nur grüne Pferde gibt es heute nicht mehr,

und wir wissen jetzt warum.

B.B.



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