Wolfgang Rapolter: Sehr geehrter Dr. Hoffmann! Nachdem unser Pferd ausrutschte und sich selbst auf die linke vordere Beugesehne stieg, ist diese geschwollen. Die Sehne ist etwas dicker, als am gegenüberliegenden Bein und leicht “ausgedellt” an der “Trittstelle”. Es zeigt sich jedoch keine sichtbare Lahmheit.
Wenn man stärker auf die Schwellung drückt, reagiert das Pferd. Unser TA diagnostizierte eine Sehnenscheidenentzündung und wir behandelten sie zuerst mit Kühlung, dann 2 Wochen lang mit Capsolin. Die Sehne selbst soll nach seiner Meinung nach “klar” und keine Verklebungen bemerkbar sein. Das Pferd soll mäßig gearbeitet werden. Vor der “Arbeit” (= eigentlich mehr Bewegungs- und Beschäftigungstherapie gegen Verspannungen – siehe unten) wird dasBein nur mehr momentan mit Arnika-Lösung eingerieben und bandagiert, nachher gekühlt und mit essigsaurer Tonerde eingeschmiert. Als Ergänzung wird hömöopathisch Traumel S und Kalium bichromum D4 verabreicht.. Nach der Arbeit ist die Sehne warm und erscheint mir dicker , manchmal – speziell nach Kühlung, erscheint sie wieder dünner – bis auf die Erhebung in der Mitte. Der Heilungsvorgang geht aber so schleppend vor sich und macht mich in bezug auf die Richtigkeit der Maßnahmen sehr unsicher. Meine Befürchtung ist jetzt, da die Schwellung schon so lange besteht (mehrere Wochen ohne wirklich besser zu werden), daß ein bleibender Schaden zurückbleibt. Läßt sich die Therapie ergänzen bzw. ist die mäßige Arbeit richtig? (Täglich wechselnd: Gemächliche kurze Ausritte im ebenen Gelände bzw. kurze Fahrten mit einem leichten Gig, 70kg+1 Person, oder Dressurarbeit hauptsächlich im Schritt -alles nicht länger als 1/2-3/4 Stunde; sonst viel Frischluft auf einer Graskoppel ohne Begleitung anderer Pferde, damit es keine Wettrennen gibt. Kontaktmöglichkeit zu seinen Stallgenossen gibt es jedoch über den Zaun.)
Danke Wolfgang
Dr. Georges Hoffmann: Sehr geehrter Herr Rapolter! Natürlich ist es nicht möglich auf Distanz Diagnosen zu stellen ohne den Patienten untersucht zu haben. Ich möchte Ihnen jedoch gerne meine Meinung zu ihrem Fall geben. Im Allgemeinen wenn die Funktion nicht gestört ist, d.h.wenn das Pferd nicht lahmt, darf man davon ausgehen,dass keine eigentliche Sehnenverletzung vorliegt, d.h. ,dass nicht das eigentliche Sehnengewebe verletzt ist. Die Umfangsvermehrung betrifft dann meistens das sehnenumgebende Gewebe, wie Sehnenhaut, Sehnenscheide, bindegewebige Unterhaut, Haut. Diese Strukturen können mit einem Palpationsschmerz verbunden sein, jedoch selten mit einer Lahmheit.
Am Anfang handelt es sich bei der Umfangsvermehrung um eine entzündliche Schwellung, bei älteren Fällen dürfte es sich jedoch eher um zugebildete Bindegewebsveränderungen (Fibrosen, Narbengewebe) handeln welche mit oder ohne Verklebungen bestehen.
Leichte Verklebungen , beispielsweise zwischen Sehne und Sehnenscheide sind meistens nicht mit einer Lahmheit verbunden, reizen sich jedoch nach jeder Arbeit etwas auf und verursachen daher nach der Arbeit vermehrte Wärme und leichtes Anschwellen. Mit der Zeit werden die Bindegewebsbrücken jedoch lascher und es kommt zu einer Normalisierung. Grössere Verklebungen sind mit Lahmheit verbunden und müssen operativ behandelt werden.
Zum Anschwellen möchte ich aber auch noch bemerken, dass man mit Einreibungen und Bandagen des Guten oft zu viel macht und dabei eine Hautreizung verursacht welche auch mit einer Schwellung einhergeht, diese jedoch mit der ursprünglichen Sehnenentzündung nichts zu tun hat.
Solange Ihr Pferd nicht lahmt würde ich mir an Ihrer Stelle keine zu grossen Sorgen machen.
Dr Georges Hoffmann