Hufbeschlag mit Keilen

Dr. Georges Hoffmann zu Beschlag mit Keilen
Kira Fasel: Welche Ursachen kann es haben, wenn ein Pferd vorne auf Keilen steht? Die Vorbesitzerin sagt, sie haette ihn schon so gekauft und es beibehalten. Dies ist mein erstes Pferd und ich wuerde mich ueber eine Antwort freuen.
Vielen Dank Kira Fasel

Dr. Georges Hoffmann: Die Bezeichnung Huf”rolle” basiert auf dem Vergleich dieses Systems mit einer Rolle (Rad, Walze o.ä.), über welche ein Seil gelegt wurde um eine bestimmte Last nach oben zufördern. Übertragen auf das Pferd wäre das Strahlbein die Rolle, die tiefe Beugesehne, welche über das Strahlbein läuft, das Seil und die zu befördernde Last das Gewicht des Pferdes. Man kann sich jetzt vorstellen, daß der Druck, welcher bei einer bestimmten Last auf das Rad ausgeübt wird, verschieden sein wird, je nachdem in welchem Winkel wir das Seil über dieses Rad legen. Das Rad liegt in der Spitze eines Winkels, welcher durch das Seil gebildet wird. Wenn wir diesen Winkel vergrößern, so daß das Seil immer gerader wird, dann wird der Druck auf das Rad abnehmen. Im Extremfall wäre das Seil gerade, würde am Rad vorbeilaufen und der Druck auf das Rad wäre somit null.

Auf diesem Prinzip beruht zum einen das Höherstellen der Trachten durch Unterschieben von Keilen. Man möchte hiermit erreichen, daß der Winkel welcher die tiefe Beugesehne über dem Strahlbein bildet größer wird und somit der Druck auf das Strahlbein kleiner.

Eine mögliche Ursache für das Vorhandensein von Keilen könnte also eine früher festgestellte Empfindlichkeit eventuell Entzündung des Strahlbeins sein. Dem muß aber nicht so sein. Viele Hufschmiede, oft auch auf Bitten der Pferdebesitzer, stellen manche Pferde sozusagen prophylaktisch auf Keile, weil sie sich erhoffen, daß dadurch Entzündungen am Strahlbein vorgebeugt werden kann. Speziell bei extrem flachen Hufen (sowie auch bei zu langen Zehen) ist die Belastung des Strahlbeins durch eine zu starke Winkelung der tiefen Beugesehne groß.

Bei sehr flachen Hufen bilden zudem oftmals die Zehenknochen nicht mehr eine gerade Linie sondern einen nach vorne geöffneten Winkel. Hierdurch werden die vorderen Abschnitte der Zehengelenke vermehrt belastet, was zu Quetschungen, eventuell Absprengungen an den vorderen Gelenksrändern führen kann. Durch die Keile wird die gerade Linie wieder hergestellt und diesem Problem vorgebeugt.

Solche Keile wären also insgesamt eine gute Sache, könnte man meinen. Die Sache hat allerdings mehr als einen Haken:

Bei normalen Trachten und gerader Zehenachse bewirkt das Unterschieben von Keilen, daß

1.) der Strahl weniger Kontakt mit dem Boden bekommt, er deshalb nicht mehr genügend “massiert” wird und deshalb verkümmert und zu Strahlfäule neigt.
2.) der Strahl, welcher weniger Kontakt zum Boden hat und deshalb nicht mehr beim Auffussen zusammengedrückt wird, diesen Druck nicht mehr seitwärts an die Trachten weitergibt (sogenannter Hufmechanismus). Dieses nach außen Nachgeben und Zurückkommen der Trachten ist jedoch extrem wichtig für die Durchblutung des hinteren Hufbereiches und speziell der Hufrolle, da diese Bewegung eine regelrechte Pumpenwirkung auf die Gefäße in diesem Bereich ausübt.
3.) die anfangs gerade Zehenachse nun einen Winkel nach hinten macht und somit die Gelenke nicht mehr gleichmäßig belastet werden.
– Die mangelnde Durchblutung der Trachten beeinflußt das Trachtenwachstum im negativen Sinn. So wird oft festgestellt, daß bei Pferden, welche mit Keilen beschlagen sind, die Trachten schlechter werden und im Endeffekt immer flacher. Das Unterschieben von Keilen bei Pferden mit flachen Trachten korrigiert zwar die gebrochene Zehenachse, verbessert aber nicht die Verhältnisse im Huf. Niemals kann man das Trachtenwachstum mit Keilen fördern.

– Das Hochstellen mittels Keilen bei Pferden mit gerader Zehenachse hat zudem den Nachteil, daß sich gleichzeitig der Fesselkopf senkt und somit der Fesseltrageapparat (Fesselträger, Gleichbeine, Gleichbeinbänder) vermehrt belastet wird. Es kann also durchaus vorkommen, daß man sich für die Entlastung des Strahlbeins auf diesem Wege in der Gegenpartie einen Fesselträger- und/oder Gleichbeinschaden einhandelt.

Das führt zu Diskussion der Alternativen.
Ziel des Korrekturbeschlags wäre Förderung des Trachtenwachstums und dadurch “natürliches Hochstellen” mit Entlastung des Strahlbeins, mit Beibehalten , respektive Korrektur der Zehenachse. Das Trachtenwachstum wird angeregt, wie wir gesehen haben, durch eine optimale Durchblutung. Dazu muß der Strahl guten Kontakt zum Boden behalten, d.h. unser Eisen muß flach sein. Um den Abrieb der Trachten auf dem Eisen zu verringern kann man die Eisenoberfläche polieren. Der Hufmechanismus und damit das Trachtenwachstum wird noch angeregt durch Verlagerung des Stützpunktes nach hinten. Dies wird erreicht durch lange Eisenschenkel. Da Eisen mit verlängerten Schenkeln bei arbeitenden Pferden jedoch oft abgetreten werden, ist man hingegangen und hat sie im Bogen so verlängert, daß sie sich auf der Senkrechten der Ballen berühren und hat sie dort zusammengeschweißt. Dies hat den Vorteil, daß das Eisen zudem sehr verwindungssteif ist. Daraus ist also das bekannte Eiereisen (egg barred shoe) entstanden.

Dieses Eisen fördert das natürliche Wachstum der Trachten und führt so auf Dauer zu einer Entlastung des Strahlbeins bei gleichzeitigem Respekt der Gelenke, des Fesseltrageapparates und des Strahls. Es hat demnach in den letzten Jahren den herkömmlichen Beschlag mit Keilen praktisch abgelöst. Eines sollte man jedoch bedenken: Wenn unser Pferd von Haus aus einen korrekten Huf hat mit normal entwickelten Trachten und keine Anhaltspunkte für Hufrollenempfindlichkeit bestehen, dann braucht es auch keine Eiereisen. In diesem Fall werden sie keinen Vorteil bringen gegenüber dem Normalbeschlag.

Ich würde Ihnen also raten, Ihr Pferd eingehen untersuchen zu lassen ob eine Veranlagung für Hufrollenentzündung besteht oder nicht. Danach würde ich das Pferd progressiv (nach und nach) auf flache Eisen, je nach Ergebnis der Untersuchung , auf Eiereisen oder Normalbeschlag umstellen.



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